Sergej Rachmaninow war kein typischer Komponist von Miniaturen. Obwohl er sich oft kurzer Formen wie Präludien, Etüden oder Liedern bediente, sprach er darin dieselbe musikalische Sprache wie in seinen monumentalen Klavierkonzerten. Selbst in seinen kürzesten Musikstücken trägt seine Musik eine intensive Ausdruckskraft – lyrisch, dramatisch, mitunter überraschend leicht, aber niemals beliebig.
Er wurde 1873 in eine adlige Familie hineingeboren und erhielt seine musikalische Ausbildung in Sankt Petersburg und Moskau. Sein Debüt als Komponist und Pianist verschaffte ihm rasch große Anerkennung. Doch das Schicksal seiner Generation war grausam. Im Jahr 1917, unmittelbar nach der Oktoberrevolution, sah sich Rachmaninow gezwungen, Russland gemeinsam mit seiner Familie zu verlassen. Er verlor alles: sein Zuhause, Freunde, die Existenzgrundlage – und auch die Urheberrechte an seinen eigenen Werken, die im Land verblieben. Mit 44 Jahren begann er ein neues Leben im Westen – in einer völlig veränderten Wirklichkeit.
Aus der Not heraus widmete er sich vor allem seiner Karriere als Pianist. Er konzertierte nahezu ununterbrochen. Das verschaffte ihm finanzielle Unabhängigkeit, schränkte jedoch seine Zeit zum Komponieren stark ein. Rückblickend sprach er offen darüber: Es war keine freie Entscheidung. Wenn ich nicht hätte spielen müssen, hätte ich mehr komponiert, schrieb er in einem Brief an einen Freund.
Das Repertoire dieses Abends ist kein Überblick über musikalische Formen, sondern eine Reihe von Porträts – von Stimmungen, Emotionen und flüchtigen Augenblicken. Viele dieser Werke sind Bearbeitungen – Lieder, Klavierpräludien, Auszüge aus größeren Kompositionen, neu gefasst für Violine und Klavier. Doch jede dieser Miniaturen trägt denselben Abdruck – die Stimme eines Komponisten, der im Exil schuf, mit der Erinnerung an eine verlorene Welt.
Es ist eine in sich geschlossene Musik – unabhängig von Form und Instrumentierung. Schon wenige Takte genügen, um dieselbe Stimme zu hören: intensiv, spannungsvoll, niemals beliebig.
DETAILS
Die Anatomie der Sehnsucht
05-11-2025 19:00

KammersaalFilharmonia im. Mieczysława Karłowicza w Szczecinie
ul. Małopolska 48
70-515 Szczecin