Was weiß die Musik über uns, was wir selbst noch nicht wissen? Die Musik weiß, dass wir voller Fragen sind, die wir noch nicht gestellt haben. Und dass die Antworten meist nicht in Worten kommen – sondern in Klängen. Dieses Konzert besteht aus drei solchen Antworten.
Franz Liszt schafft mit seinem Les Préludes (1854) eines der ersten sinfonischen Dichtungen der Musikgeschichte – eine neue Gattung, die keine Handlung erzählt, sondern eine Idee, eine Emotion, eine Philosophie entfaltet. Die Inspiration fand er in den Versen des französischen Dichters und Denkers Alphonse de Lamartine aus dem Zyklus Nouvelles méditations poétiques. Dort wird jene Frage gestellt, die Liszt zum Titel und Ausgangspunkt seines Werkes machte: Ist unser Leben nicht eine Abfolge von Präludien zu einem unbekannten Lied, dessen feierliche Ouvertüre der Tod erklingen lässt?
Liszt gestaltet keine bloße musikalische Illustration eines Textes – vielmehr komponiert er eine eigenständige, tief empfundene Meditation über das Vergehen der Zeit. Das Leben entfaltet sich in seiner Musik als Abfolge prägnanter Episoden: Liebe, Kampf, Hoffnung und Enttäuschung. Die Form wird getragen von einem sich entwickelnden Hauptthema, das – durch wechselnde Instrumentierungen und klangliche Transformationen – verschiedene emotionale Zustände durchschreitet und dabei stetig neue Ausdrucksformen gewinnt.
Ernest Bloch – ein schweizerisch-amerikanischer Komponist jüdischer Herkunft – komponierte Schelomo: Eine Hebräische Rhapsodie für Cello und Orchester im Jahr 1916 in New York, mitten im Ersten Weltkrieg. In der Stimme des solistischen Cellos hörte Bloch die Figur des biblischen Salomo (hebräisch: Schelomo), des weisen Königs aus dem Buch Kohelet. Das ist keine blumige Metapher – Bloch selbst sagte, sein Ziel sei es gewesen, den Geist des Alten Testaments in die Sprache des modernen Orchesters zu übersetzen. Salomo stellt die Frage: Ist das alles nur Eitelkeit? Eine klare Antwort erhält er nicht – doch seine Stimme, das Cellosolo, spricht mehr als tausend Worte.
Schelomo: Hebräische Rhapsodie für Cello und Orchester von Bloch, gespielt von Truls Mørk (Cello) und dem Stavanger Symphonieorchester unter der Leitung von Markus Stenz:
Johannes Brahms schrieb seine 2. Symphonie D-Dur op. 73 im Sommer 1877 in Pörtschach am Wörthersee. Es war ein Moment des Aufatmens – nach dem Erfolg der lange erwarteten 1. Sinfonie, die sofort mit Beethoven verglichen wurde, konnte Brahms nun endlich ohne Druck komponieren. In einem Brief schrieb er: Hier fließen die Melodien so reichlich, dass ich aufpassen muss, nicht zu viele aufzuschreiben. Nach Jahren des Ringens und innerer Kämpfe konnte Brahms nun eine andere Frage stellen: Gibt es Freude ohne Flucht?
Drei Werke, drei Sprachen, drei Fragen: Ist das Leben nur ein Präludium auf den Tod? (Liszt) Ist alles nur Eitelkeit? (Bloch) Gibt es Freude ohne Flucht? (Brahms) Jeder Komponist antwortet auf seine Weise – aber in jeder dieser Antworten weiß die Musik etwas über uns, das wir selbst noch nicht wissen.
Brahms' 2. Sinfonie, aufgeführt vom hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Marin Alsop:
Den Höhepunkt dieses Abends bilden herausragende Künstler, die gemeinsam mit dem Orchester auf die Bühne treten werden. Als Solist tritt Tomasz Strahl auf, einer der bedeutendsten polnischen Cellisten, dessen Meisterschaft auf den größten Bühnen der Welt bewundert wurde – von Berlin über London und Tokio bis São Paulo. Die Symphonische Orchester der Philharmonie Stettin wird von Antoni Wit geleitet, einem Dirigenten von Weltrang, der mit den renommiertesten Orchestern der Welt aufgetreten ist, über 200 Alben eingespielt hat und 2013 mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Seine künstlerische Autorität und Erfahrung machen jede Begegnung mit ihm zu einem unvergesslichen musikalischen Erlebnis. Gemeinsam mit dem Orchester erschaffen sie Interpretationen, die wie Antworten auf die Fragen von Liszt, Bloch und Brahms erklingen werden.
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Fragezeichen 21-11-2025 19:00
SinfoniesaalFilharmonia im. Mieczysława Karłowicza w Szczecinie
ul. Małopolska 48
70-515 Szczecin