Das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stand im Zeichen einer umfassenden Erneuerung der Jazzszene weltweit, wie die Beispiele Los Angeles, New York, Chicago oder London eindrucksvoll zeigen. Eine neue Generation von Musikerinnen und Musikern leitete eine wahre Renaissance des Genres ein, indem sie es erneut aus dem Underground in den Mainstream führte und neue Hörerschichten gewann. Dieselbe Mission treibt die Musiker der Wrocławer Band EABS an, die seit 2012 an dem Konzept der „Rekonstruktion durch Dekonstruktion“ arbeiten. Sie definieren Klassiker vergangener Jahrzehnte neu, indem sie diese mit den neuesten Strömungen zeitgenössischer urbaner Musik konfrontieren – und so eine völlig neue Qualität und ein unverwechselbares Klangbild schaffen. Manche mögen sagen, dies sei kein Jazz mehr, doch manchmal muss man etwas einreißen, um auf alten Fundamenten etwas völlig Neues zu errichten.
Das Wrocławer Musikerlager formierte sich bei den legendären Electro-Acoustic Beat Sessions im inzwischen geschlossenen Club Puzzle (2012-2014). Eine Aufnahme dieser Sessions, die die Essenz dieser Treffen festhält, ist heute auf der ersten Veröffentlichung unter dem Akronym EABS zu hören – dem Puzzle Mixtape [Astigmatic Records, 2016], das damals kostenlos verteilt wurde und heute nur schwer erhältlich ist. Unter den Gästen dieser Sessions waren unter anderem MED (Stones Throw), Coultrain, Ben Lamar Gay (International Anthem) und Jeru The Damaja. Die Schließung des Clubs war der Impuls für eine weitere Entwicklung, die dazu führte, dass EABS in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Stimmen der polnischen Jazzszene wurde. Zwar mussten die Hörer noch fast drei Jahre auf das Debütalbum unter dem Namen EABS warten, doch genau in dieser Zeit begann das Wrocławer Kollektiv, sich vom Hip-Hop – verstanden als Genre, in dem Rapper die erste Geige spielen – zu entfernen. Die Einzigartigkeit von EABS liegt jedoch nicht nur in ihrer instrumentalen Meisterschaft und der Aktualität ihrer musikalischen Sprache, sondern auch in ihrer Hip-Hop-Herkunft sowie ihrem gesellschaftlich-politischen Engagement.