Jedes dieser Werke entstand in einem Moment des Übergangs – einer Zeit, in der etwas zu Ende geht, ohne dass schon sichtbar ist, was als Nächstes kommt. Die alte Welt wirft noch ihren Schatten, während sich die neue erst in vagen Konturen abzeichnet. Dies ist ein Konzert über genau diesen Augenblick: nicht über Stabilität, sondern über Bewegung – zwischen Epochen, Ästhetiken und Orten.
Beethoven schrieb Fidelio an der Schwelle zweier Welten – ästhetisch wie historisch. Auf der einen Seite die Opernkonventionen seiner Zeit, auf der anderen ein Freiheitsdrama inmitten politischer Unterdrückung. Leonore, die Hauptfigur, rettet ihren Ehemann aus dem Gefängnis, verkleidet als junger Mann – doch das ist nur die äußere Handlung. Im Kern erzählt Fidelio von einem inneren Übergang: von der Dunkelheit ins Licht, vom Schweigen zum Handeln. Die Ouvertüre, für die sich Beethoven schließlich entschied, ist kürzer und funktionaler als ihre früheren Fassungen. Sie enthält dramatische und heroische Themen – bleibt dabei aber in einer klaren, klassizistischen Form verankert. Der Komponist hält sich noch an vertraute Strukturen – doch er beginnt bereits, sie zu dehnen, um mehr zu sagen, als die Tradition erlaubt. Es ist Musik, die der alten Ordnung noch vertraut ist – aber schon im Geist der Zukunft denkt.
Elżbieta Sikora bewegt sich seit Jahren musikalisch an der Grenze zwischen Welten: zwischen Klassik und Experiment, zwischen Form und Klang. Ihr Flötenkonzert reiht sich in diesen Ansatz ein – ein Werk, in dem ein vertrautes Instrument die Sprache der Gegenwart spricht. Es geht nicht um Provokation, sondern um die Suche nach einem neuen Raum für eine alte Stimme. Die Flöte, gespielt von Anna de la Vega, iner Australierin, die die internationale Klassikszene im Sturm erobert hat, wird dabei zur Wegweiserin durch ein Terrain voller klanglicher Überraschungen.
Und dann – die Neue Welt. Der Titel von Dvořáks Sinfonie ist längst zum Symbol geworden. Doch das Werk selbst ist weder amerikanisch noch tschechisch – es bewegt sich genau dazwischen. Entstanden 1893 in New York, trägt es die ganze Last der Sehnsucht nach der Heimat in sich. Dvořák hörte afroamerikanische und indigene Melodien – aber er zitierte sie nicht, sondern ließ sie durch das eigene musikalische Empfinden fließen. So schuf er eine Musik, die bis heute bewegt.
Dieser Abend erzählt nicht von dem, was bleibt, sondern vom Wandel. Vom Spannungsfeld zwischen dem Vertrauten und dem Unbekannten, von alten Formen und neuen Bedeutungen und davon, dass Musik – so tief sie auch verwurzelt ist – immer in Bewegung bleibt.
Allegro con fuoco aus Dvořáks 9. Symphonie, aufgeführt von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Gustavo Dudamel:
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Etwas dazwischen 24-04-2026 19:00
SinfoniesaalFilharmonia im. Mieczysława Karłowicza w Szczecinie
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70-515 Szczecin